Rede von Ursula Bode anlässlich einer Ausstellung
von Ingo Lie im Schaafstall Bad Münder, 25.03.2006
Meine Damen und Herren,
auf die Frage, warum er Künstler geworden sei, fand Ingo Lie einmal eine ebenso poetische wie bildhafte Antwort: „Vielleicht“, sagte er, „vielleicht weil ich die Schattenspiele auf der Wand gegenüber gesehen habe. Vielleicht, weil ich nicht einsehen konnte, dass sie nur Chimären sein sollten...“ Und er fügte hinzu: „Allmählich sehe ich, dass ich auf einem Weg bin, der aus der Spielerei – wie real oder irreal sie auch gewesen sein mag – so etwas wie eine eigene Wirklichkeit gemacht hat.“ Er pendele, sagte Lie, mittels Kunst die Wahrhaftigkeit aus...:“Beim Schattenspiel auf der Höhlenwand oder im Mutterleib oder im Gefängnis der Wirklichkeit kommt das Licht von jenseits des Eingangs oder des Ausgangs. Vielleicht reibe ich nun ein paar Hölzer aneinander, um Feuer in meiner Höhle zu machen, um ein eigenes Licht zu entzünden. Das wäre immerhin nicht zu viel verlangt von einem Künstler.“
Kunstausstellung:
DIGI-TALES II
Digital basierte Medienkunst – narrativ, interaktiv, interdisziplinär 15. April – 08. Mai 2016 / Kunsthalle Faust, Hannover
curious minds (Zürich), Barbara Hindal (Hannover/Mannheim), landerer & Company, ingo lie, Hannes Malte Mahler (Hannover), Oliver Niemöller (Köln), János sugár (Budapest), eckhard Westermeier (Hildesheim/Berlin)
Der KV Kunsthalle Hannover e.V. präsentiert eine Austellung mit einer breit angelegten Auswahl digital erzeugter Formsprachen, die die Faszination künstlicher Bildwelten mit dem Reiz akustischer, narrativer und partizipativer Komponenten zu einem alle Sinne erfassenden Erlebnis verbindet.
„Digi-Tales II“ ist Teil der 25 Jahr-Feier und des 1. Mai-Festes des Kulturzentrums Faust und ermöglicht mit partizipativen Ausstellungsbeiträgen, Workshop-Angeboten und einer Podiumsdiskussion eine thematische Vertiefung.
Der weite Weg
2007 / 2016, Digitaldruck auf 250g Karton, 250 x 180 cm
Perspekt
2015 / 2016, Digitaldruck auf 250g Karton, 224 x 180 cm
Wächter des Himmels
2015 / 2016, Digitaldruck auf 250g Karton, 215 x 180 cm
Carsten Ahrens
Foto: Walter Schoendorf
Abschied von Eden
Ein Paradox begründet die Entwicklung des Abendländers. Seinen Ursprung findet er im Paradies, auf der Suche nach seiner Heimat. Die Ferne sucht er und meint die Nähe. Er begehrt die Erfahrung und verirrt sich im Erlebnis. Um es sich einzuverleiben, verzehrt er das Paradies, während er sich in jenen embryonischen Zustand wünscht, in dem er gänzlich umfangen ist, gewärmt, behütet und verantwortet. Verinnerlichen will er das Paradies, in der Hoffnung, von ihm nicht vergessen zu werden.
Mit Beginn der Suche, noch in Eden, verläßt Adam sein Paradies. Sogleich aber begibt er sich auf eine neuerliche Suche nach demselben Paradies. Sein Zuhause ist das Paradies. Weil er aber zu suchen beginnt, wird er heimatlos. Doch die neue Heimat findet er in seinem Suchen. Dass er sie erkennt, allerdings, bleibt zweifelhaft, solange das Ziel den Weg und die Absicht das Ziel bestimmt. Und je weiter er sich von seinem Paradies entfernt, je länger er sucht, desto mehr verwischt sich seine Erinnerung, die indes mit zunehmender Geschwindigkeit, in der Rastlosigkeit zeitvertilgender Suche, gänzlich verlischt.
Während ihrer Suche entdeckten die frühen Abendländer eine göttliche Wirklichkeit, deren Wesen sie erkannten und deren Planen sie verstanden. Ihnen zeigte sich eine schicksalsbestimmende Kraft, die sich als vulkanisch bedrohlich erwies und fruchtsegnend zugleich. Es stellte sich eine Macht vor, die belohnen konnte und bestrafen, die Leben schuf und Leben nahm, die das Klima bestimmte, die Gesundheit gewährte und Plagen schickte, die Leiden gab und das Glück. Von dieser Macht ging jeder Wille aus.
Vielleicht wird sich einst die Zeit finden lassen, in der die ersten Menschen begannen, ihren Gott zu suchen. Vorerst aber bleibt der Ursprung verborgen. Vielleicht lässt sich zukünftig die Angst der ersten Menschen ermessen, in vollem Umfang, und ihre Einsamkeit in der Fremde einer gewalttätigen Natur. Inzwischen ist sie unverständlich.
Das Göttliche ist eine Vision, und Gott ist eine Utopie. Für diese Utopie wurde real gelebt und real gestorben. Unterdessen ist sie zur Geschichte geworden, zur Vergangenheit, zur Vergessenheit. Vergessen ist ein Gott, um den es nie gegangen ist, es sei denn um seinen Namen, um sein Zeichen, um sein Symbol. Um Gott selbst ist es nie gegangen, wohl aber um den hervorhebenden Segen. Wer seinen Gott erkennt, schweigt.
Auszug aus „GOTTESMASCHINEN“
DOKUMENT X 2008 Öl auf Papier 200 x 150 cm
Kreator 2010 Öl auf Papier 200 x 150 cm
|
GRUND 2010 Öl auf Papier 200 x 150 cm
SCHATTENGABE 2013 Öl auf Holz 250 x 385 cm
Maidan 2014 Öl auf Holz 250 x 255 cm
FREITAL 2015 Öl auf Holz 250 x 125 cm
Gastmahl 2015 Öl auf Holz 250 x 125 cm
es regnet Zeit 2018 Öl und Acryl auf Holz 244 x 374 cm |
Reigen(Sichtblende)
Sobald wir diesen Weg gehen, irren wir.
Sobald wir diesen Weg verlassen, verirren wir uns.
Oder
Lieben, um zu lieben
Zu achten, um zu achten
Zu verachten, um der Selbstverachtung zu entgehen
Tagblende bei Nachtlicht
Das Verlorene geht nie verlustig
Das Verlustige geht nie verloren
Es ist als lebte alles für alle Zeiten
Unsichere Zeiten
Was ist aus der Suche geworden, wenn das Gefundene gefeiert wird?
Was aus der Feier, wenn der nächste Morgen anbricht? Was aus dem Morgen, wenn der Tag vergeht?
Ein Licht, ein Licht und der Wille zum Endgültigen.
Das Leben probiert sich aus. Es hat auch den Menschen gefunden, der das Leben probiert.
gegenseitig (architektonisch)
Optimieren wir uns selbst und bleiben auf der ewigen Suche nach der Unsterblichkeit.
Optimieren wir uns und verwühlen uns ins dauerhafte Bemühen um ein verlängertes Leben.
Optimieren wir uns ins Lächeln um das Geheimnis des Lebenslänglichen.
Spurenanalyse
Sichtung der Spuren
Sicherung der Spuren
Bewertung der Spuren
Verwischung der Spuren
Verwertung der Erinnerung
Der Tropfen wird gefunden
Ihm wird ein Name gegeben
Ihm wird eine Aufgabe zugeteilt
Ihm wird ein Stein gestellt
Ihm wird der Name verschwiegen
Die Welt ist so fremd.
Sie ist neu ausgestattet
Die Räume haben dieselben Ausmaße.
Das Licht wirft dieselben Schatten.
Der Teppich ist zerfasert.
Das Personal ist aufgestockt worden.
Alles was ist kommt aus Rot und Blau.
Alles hängt mit allem zusammen.
Rot und Blau kommt aus Liebe.
Alles was ist ist die Schöpfung während der Schöpfung.
Alles was wird wird aus Rot und Blau.
Und alles was ist wird.
Alles hängt mit allem zusammen.
Alles was ist ist eine Gestaltung aus Rot und Blau.
Ein Anfang ist nicht auszumachen.
Nur der eine Anfang findet sich nicht.
Wie es auch nicht ein Ende gibt.
Es gibt nicht eine Schöpfung.
Wie es auch nicht eine Vernichtung gibt.
Jede Gestaltung ist vom Selbst.
Jedes Selbst ist Teil vom Leben.
Jedes Selbst ist ein Durchgangsstadium.
Jede Gestaltung ist ein Durchgangszentrum.
Jede Gestaltung nährt sich aus Rot und Blau.
Wie jede Gestaltung Rot und Blau nährt.
(Auszug aus Rot und Blau 1982)
Impressum
Ingo Lie
Gretchenstr. 6
30161 Hannover
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Design & Umsetzung:
die reklamezentrale
Lärchenstraße 18
30161 Hannover
0511 66 98 38
0511 66 98 99 Fax
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.die-reklamezentrale.de